Ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn. (Römer 14, 8b)

Als kleiner Junge wurde ich manchmal von meiner Mutter in den Tante-Emma-Laden unseres Heimatdorfes geschickt. Ich musste dann noch etwas Wurst zum Abendbrot holen oder „gute Butter“, die gerade ausgegangen war.

Der kleine Laden war mehr als ein Geschäft. Er war ein Kommunikationszentrum. Die letzten Neuigkeiten des Dorfes wurden hier von den Senioren und Seniorinnen des Dorfes ausgetauscht. Wenn ich dann zum Einkaufen dort auftauchte, wurde ich von den Anwesenden, meist schwarz gekleideten älteren Herrschaften, begutachtet.

Dann kam die unvermeidliche Frage: „Ei, wem gehörscht du da?“ (Übersetzung: „Ei, wem gehörst du denn?“) Ich antwortete wahrheitsgemäß: „Aich sei der Jingste voh Millesch Ernst!“ („Ich bin der jüngste Sohn von Müllers Ernst!“) Dann war den Leuten klar, wer ich bin, wohin ich gehöre! Sie bestellten dann einen schönen Gruß an meinen Vater und beachteten mich weiter nicht mehr.

Zugehörigkeit spielte in unserem Dorf eine wichtige Rolle. Wenn man wusste, zu welcher Familie jemand gehörte, dann sagte das eine Menge über eine Person aus. Ich habe das als Kind als normal empfunden, nicht mir selbst, sondern zu unserer Familie zu gehören.

Erst später habe ich gelernt, dass nach der Aufklärung das höchste Ziel des Menschseins darin bestehe, selbstbestimmt zu leben und niemand anderes die Kontrolle über sich zu überlassen. Der Mensch solle autonom sein, sich selbst die Regeln suchen und geben, die sein Leben bestimmen.

Die Regeln anderer zu übernehmen bedeutet abhängig zu sein, heteronom zu leben. Und das ist in jedem Falle schlecht. Die meisten Menschen leben daher autonom. Sie bestimmen selbst die Regeln ihres Lebens.

Sie fragen nicht mehr nach vorgegebenen Geboten, schon gar nicht, wenn sie aus der christlichen Tradition stammen. Gleichzeitig fühlen sie sich überfordert, weil sie ratlos sind und suchen an anderer Stelle nach Weisheiten und Regeln, die zum Leben helfen.

Für Paulus hingegen ist klar, dass ein Mensch in keinem Fall selbstbestimmt, also autonom, leben kann. Er wird entweder von der Sünde bestimmt oder vom Heiligen Geist. Er gehört entweder der Sünde oder er gehört Christus.

Christen gehören zu Christus. Der Heilige Geist wirkt in ihnen und sagt ihnen, wer sie sind: Kinder Gottes (Römer 8,16). Christus wirkt durch seinen Heiligen Geist im Personenzentrum eines Christen und wirkt bei allen Entscheidungen mit. Als Christ gehöre ich nicht mir selbst!

Nicht eine fremde Macht bestimmt einen Christen, die ihn unmündig machen will oder vor der er sich fürchten müsste. Im Gegenteil: Wer zu Jesus gehört, der erfährt Orientierung durch sein Wort und die Stärkung der Persönlichkeit durch den Geist. Wer zu Jesus gehört, der erfährt Geborgenheit und findet seinen Platz vor Gott und im Leben in seiner Gemeinde.

Und nicht nur im Leben! An Jesu Tod und Auferstehung können wir es sehen: Wer zu Gott gehört, der gehört nicht nur im Leben zu ihm, sondern auch im Sterben und über den Tod hinaus.

Das ist ein starker Trost im Leben und im Sterben. Das gibt Halt und Kraft und macht einen stark, die eigene Lebenswirklichkeit anzunehmen und sich ihr zu stellen.

In der ersten Frage des Heidelberger Katechismus von 1563 heißt es:
„Was ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben? Daß ich mit Leib und Seele, beides, im Leben und im Sterben, nicht mein, sondern meines getreuen Heilands, Jesu Christi eigen bin, der mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkömmlich bezahlet und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöset hat und also be- wahret, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann, ja auch mir alles zu meiner Seligkeit dienen muß. Darum er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens versichert und ihm forthin zu leben von Herzen willig und bereit macht.“

Du gehörst als Christ nicht mehr Dir selbst. Du gehörst zu Jesus: im Leben und im Sterben. Deshalb hat keine fremde Macht irgendwelche Anrechte an Dich. Deshalb bist Du erlöst von aller Sünde. Deshalb wirst Du bewahrt vom Vater im Himmel. Deshalb kannst Du seinem Wort gehorsam sein.

Und wenn Du das nächste Mal angefochten wirst oder Dich einfach von den Herausforderungen des Lebens überfordert fühlst – erinnere Dich daran: ich gehöre nicht mir selbst. Ich gehöre Jesus, im Leben und im Sterben. Deshalb kann mir nichts geschehen, deshalb wird alles gut.

Mit diesen biblischen Wahrheiten im Kopf und dem Trost, der daraus entspringt im Herzen, wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Osterfest!

Ihr Pastor
Andreas Müller