Wo kann man abgewiesen werden – wenn ich so darüber nachdenke, an ziemlich vielen Orten und bei so einigen Menschen. Um zur Zeit irgendwo rein- zukommen, sei es ein Restaurant, müssen Sie einen Ausweis vorweisen, der Sie dafür qualifiziert. Es geht darum, dass Sie sicher sind für andere. Das ist auch ok. Und trotzdem ist es ja eine Hürde. Krankheit verhindert, dass wir Menschen unbeschwert zusammenleben können. Das ist eine ganz schicksalhafte Grenze. Daran ist niemand schuld. So ist das Zusammenleben zwischen Men- schen. Es gibt Grenzen für die wir nichts können.
Es gibt auch menschengemachte Grenzen. Leben muss jeden Tag mit der Gefahr der Abweisung gelebt werden. Da kann man nichts machen. Leben ist nicht komplett barrierefrei. Global gesehen, ist das leicht festzustellen: Es gibt Grenzen zwischen Ländern. Die sind teilweise sogar sichtbar gemacht z.B. durch Flüsse, die man als Ländergrenzen definiert hat. Wo es so etwas nicht gibt, sind Schilder angebracht. Ich bekomme auf meinem Handy eine SMS, die mich daran erinnert, dass hier jetzt was anders ist – ich bin über eine Landesgrenze gefahren, das Telefonieren könnte je nach Tarif teurer werden.
Dann gibt es noch unsichtbare Grenzen. Das sind Grenzen zwischen Kulturen. Dafür muss ich nicht an das andere Ende der Welt fliegen, um das festzustellen. Dafür reicht es schon ein Dorf weiterzufahren. Ich kenne das aus meiner Heimat – da wird Plattdeutsch gesprochen. Wie ihr vielleicht wisst, kommen eure Pastoren aus dem hessischen Hinterland. Unsere Heimatorte sind mit dem Auto fünf Minuten voneinander entfernt. Und wir sind trotzdem mit einem etwas unterschiedlichen Plattdeutsch groß geworden. Außerdem verläuft da eine Art un- sichtbare Grenze zwischen den verschiedenen Dörfern. Es gibt je Dorf einen gewissen Dorfpatriotismus. Jedes Dorf hält sich für das Gallische und die letzte Bastion für erfülltes Leben. Jedes Dorf meint über sich: Mehr als hier zu leben, ist für einen Menschen kaum möglich! Wenn Sie diese Dörfer besuchen würden, würden die für Sie vermutlich alle gleich aussehen. Grenzen sind also auch etwas Unsichtbares und ganz Subjektives. Jedenfalls kann man sagen: Menschliches Leben funktioniert nicht ohne Grenzen.
Das ist erstmal weder gut noch schlecht. Grenzen bedeuten ja nicht nur Distanz, sondern auch Schutz.
Und doch ist es lebensnotwendig, dass wir alle es schaffen, die Distanz zwischen manchen wenigen Menschen im Laufe unseres Lebens abzubauen – dort erfahren wir Liebe und Annahme, Geborgenheit und Vertrauen. Und noch mehr: Bevor wir bewusst an diesem Leben teilnehmen, ist es wichtig, dass einige wenige Menschen, die Distanz zu uns abbauen, uns lieben und annehmen.
Der Mensch lebt von der Annahme derer, von denen er sich Liebe wünscht und auch braucht. Der Mensch lebt von der Liebe und Annahme Jesu. Das ist die Form von Annahme, die man überhaupt nur Liebe nennen kann. Was Menschen machen, kann davon zehren und lernen, es aber nicht Jesus gleichtun. Wir leben und lieben durch die Liebe und Annahme Jesu. So wie ein Kind angewiesen ist auf die elterliche Liebe.
Um von dieser Annahme etwas zu erle- ben, müssen Grenzen überwunden wer- den. Ich muss diese Person ansprechen, ich muss mich ihr nähern ODER zulassen, dass diese Person sich nähern darf – es muss Kontakt entstehen.
Und genau in diesen Fall hinein sagt Jesus diesen Satz, der 2022 Jahreslosung ist. Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Das ist eine Aufforderung – und dieser Aufforderung kommt etwas zuvor. Das sagt Jesus, der menschgewordene Gott, der schon zu uns gekommen ist. Der sitzt praktisch hier in unserer Runde und sagt das. So stelle ich mir das vor, denn so ist es. Jesus ist ja schon längst zu uns gekommen.
Ich will das, was ich gar nicht wollen kann. Ich will was nur Gott machen kann. Nämlich von Gott angenommen sein.
In diesem Vers ist beides ausgedrückt: Ich komme zu Jesus, weil ich es will und ich werde nicht abgewiesen, weil er es will.
Ich finde es großartig, dass in diesen Aussagen Jesu immer beides zusammen- kommt – das ist das Geheimnis einer Liebesbeziehung. Ich kann nur Lieben ohne Gegenleistung zu erwarten und kann nur geliebt werden, weil mein Gegenüber mich lieben möchte. Liebe ist kein Geschäft und erst recht kein Kuh- handel. Liebe ist sich gegenseitig zuvorzukommen und dabei zu empfangen was mein Gegenüber gibt.
Jesus ist Ihnen längst zuvorgekommen und hat sie schon geliebt und angenommen. Gehen Sie doch zu ihm in diesem Jahr.
Amen.