Liebe Freunde der FeG München-Südost,
das letzte Jahr war dies- und jenseits des Brenners ein herausforderndes Jahr. Im Mai war der erste große Lockdown überwunden, der zweite folgte schon im Oktober. Wieder war es nicht möglich, sich in der Realität zutreffen und die digitalen Alternativen tun sich schwer,
dem Austausch den Subtext und die nonverbale Kommunikation zu übertragen. Seit einigen Wochen ist es wieder möglich, sich zu treffen und Gemeinschaft zu haben. Allerdings ist mit der Öffnung nicht wieder alles beim Alten.
Der Virus bedroht aus meiner Sicht nicht nur die Körper, er hat auch neue Zwietracht in die Gesellschaft gebracht. Frei nach der Gretchenfrage: „Wie hält du es mit dem Virus?“ Die Antwort schafft verschiedene Lager. Auch in unserer Gemeinde. Normalerweise hilft es miteinander zu reden, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, um zu erkennen was die oft verborgenen Motivationen des anderen sind, die Ängste und Hoffnungen miteinander zu teilen, um so trotz unterschiedlicher Meinungen gemeinsam weiterzugehen. Doch genau das wurde durch die Lockdownbestimmungen sehr erschwert.
Im Lockdown ist die Zeit nicht einfach stehen geblieben, es ist nicht möglich, einfach da weiterzumachen, wo wir im Oktober 2020 gestanden sind. Die Rückkehr zur Normalität kommt nicht automatisch, sie erfordert viel Energie. Ich denke, dass alles, was ich bis jetzt geschrieben habe, nicht nur auf uns in Brixen zutrifft, sondern dass euch diese Dinge auch in München bekannt sind.
Vielleicht kennt ihr daher auch die bange Frage: Reicht die Energie, die Gemeinde wieder so herzustellen, wie sie vor einem oder auch eineinhalb Jahren war? Klar kenne ich die Stelle aus 2. Korinther 12 Vers 9: Meine Kraft ist in dem Schwachen mächtig. Für mich persönlich muss ich sagen: Wann, wenn nicht jetzt, müsste Gottes Kraft sichtbar zu Tage treten?
Mir fiel es sehr schwer für euch diese Zeilen zu schreiben, viel lieber würde ich davon reden, wie wunderbar uns Gott durch diese Zeit der Pandemie getragen hat, wie wir uns in dem Trübsal bewährt haben, wie wir in neuer Kraft und Zuversicht im Vertrauen auf den Sieg voran gehen.
Das tun wir nicht, wir sind gerade eher wie die Jünger, die nach Karfreitag keine Ahnung hatten wie es weiter gehen soll. Und genau diese Situation ermöglicht es mir, hoffnungsvoll zu sein, denn ich weiß, es gibt Ostern, ich weiß, egal wie verzagt wir gerade sind, es gibt berechtigten Grund der Hoffnung, auch wenn wir es nicht sehen.
Das Leitwort für diese Zeilen ist für mich das Wort „Dennoch“. In Jeremia 1 Vers 19 steht: „… wenn sie auch wider dich streiten, sie dir dennoch nichts an- haben können; denn ich bin bei dir, spricht der HERR, dass ich dich errette.“ Für mich heißt das: Auch wenn sich
verschiedene Meinungen und Lager bilden, dennoch steht Gott uns als Gemeinde, aber auch mir und jedem persönlich zur Seite. Wenn die eigene Kraft nicht mehr ausreicht, Gräben zu überwinden, dennoch wird uns der Herr erretten. Wenn wir verzagt im Kreis sitzen und nicht wissen, was die Zukunft bringt und wie wir sie gestalten sollen, dennoch ist Gott da, er wird uns zeigen, wo es lang geht.
Wenn ich in diesem „Dennoch“ die zurückliegende Zeit betrachte, dann erkenne ich auch: Gott hat uns bewahrt. In unserer Gemeinde gab es keinen schlimmen Verlauf von Corona, die wenigen, die erkrankt waren, hatten fast symptomlose Verläufe. In der Zeit des Lockdowns zogen sich alle in ihre Wohnungen zurück, viele igelten sich ein und die Gastfreundschaft verkümmerte – werden Hauskreise überhaupt wieder möglich? Auch hier durchbricht Gottes „Dennoch“ meine Befürchtungen.
Ein junger Mann, der noch nicht lange zur Gemeinde kommt, hat, sobald es erlaubt war, seine Wohnung für einen Hauskreis zur Verfügung gestellt. Kann Glaube ohne echte Gemeinschaft
überhaupt wachsen? Wir sind doch als Gemeinde zusammengestellt, um uns im Glauben zu stärken, wenn die Gemeinschaft zu Gläubigen fehlt, kann der Glaube doch fast nur schwächer werden. Auch da stellt Gott sein „Dennoch“ entgegen.
Eine Frau, die schon als kleines Kind zur Gemeinde kam, bekam Anfang 2019 massive Zweifel, ob das mit Gott wirklich stimmt. In der Zeit der Pandemie fand sie zum Glauben zurück, nein, sie fand nicht zurück, ihr Glaube ist jetzt nach ihrer Aussage viel tiefer, als er jemals war.
Jetzt klingt es fast schon so, als gäbe es kein Trübsal mehr. Doch den gibt es auch noch, und den gab es schon immer, und damals vor Corona war auch nicht alles toll und auch heute gibt es große Herausforderungen. Dieser Umstand verbindet uns über alle Zeiten hinweg. Bei Jeremia gab es Anfeindungen und das „Dennoch“ Gottes, bei Paulus stand das „Dennoch“ Gottes gegenüber seiner Krankheit. Und auch wir dürfen uns heute auf das „Dennoch“ Gottes verlas- sen. Bei uns sind die Wunden, die der Lockdown geschlagen hat, noch nicht geheilt.
Wir wissen „dennoch“ Gott ist mit uns am Werk. Die Unsicherheit bleibt, ob im Herbst wegen irgendwelchen Varianten wieder ein Lockdown kommt. „Dennoch“ können wir auf unseren Herrn vertrauen, dass er uns begleitet, er uns seine Kraft gibt und mit uns sein Reich bauen wird. Ich wünsche euch viele „Dennoch“- Momente, dass ihr erlebt, wie Gott in
alle eure Situationen sein starkes „Dennoch“ stellt. Diese Momente lassen uns fest werden in der Gewissheit: „… ich bin bei dir, spricht der HERR, dass ich dich errette…“
In Liebe und Glauben verbunden,
Michael Soldner, Pastor FEG Brixen