Auf seiner zweiten Missionsreise kam Paulus nach Athen, der Stadt der Philosophen und der Wiege der Demokratie. Athen hatte damals kaum mehr als 5.000 Einwohner und lebte vom Bildungstourismus. Paulus kommt allerdings nicht als Tourist in die Stadt.
Beim Anblick zahlloser Götterstatuen wird er wütend. Er kann sich nicht damit abfinden, dass die Menschen in Athen keine Ahnung vom Evangelium haben. Das macht ihn fertig. Er weiß doch: Evangelium ist rettende Botschaft, die das Leben hier verändert und den Himmel aufschließt.
Dieses Engagement, diese Rage wünsche ich mir auch für unsere Gemeinde. Berührt es Sie, dass es hier in unserer Region so viele Menschen gibt, die das Evangelium von Jesus noch nie (richtig) gehört haben oder lässt Sie das kalt? Lassen Sie sich bitte vom Heiligen Geist neu die Augen für die Menschen öffnen, die Jesus (noch) nicht kennen.
Dann fängt Paulus an, mit den Athenern das Gespräch zu suchen. Nicht nur hinter den Mauern der Synagoge, sondern in der Öffentlichkeit, auf dem Marktplatz der Stadt, dem Areopag. Er geht raus, hin zu den Leuten und lässt sich auf Begegnungen ein. Das ist mutig, aber es gehört zur Sendung Jesu, die auch uns, seiner Gemeinde gilt.
Als Gemeinde wollen wir eine Rettungsstation sein, durch die Menschen das rettende Evangelium von Jesus Christus hören und daran glauben. Rettungsstation zu sein heißt aber nicht nur im Gemeindehaus zu sein und zu warten, bis Menschen den Weg über die Schwelle der Gemeinde finden. Es heißt auch rauszugehen, offen und frei vom eigenen Glauben zu sprechen, sich einzumischen und eine Meinung zu haben. Mit den Menschen in Ihrer unmittelbaren Umgebung, aber auch wenn sich die Gelegenheit dafür bietet: im Büro, beim Einkaufen, beim Friseur, im Wartezimmer.
Paulus geht in Athen klug vor. Er knüpft an vorhandene Vorstellungen bei seinen Zuhörern an (lesen Sie bitte Apg. 17, 16-34!). Er korrigiert sie aus seiner Perspektive, und er konfrontiert sie mit seinen Auffassungen.
Interessanterweise verurteilt Paulus zunächst die religiösen Praktiken der Athener nicht. Also nicht: „Was ihr hier macht ist völliger Unsinn!“, sondern wertschätzender und gewinnender greift er Gemeinsames zwischen seinen Überzeugungen und denen der Athener auf.
Er sagt: „Ich verkündige Euch den ‚unbekannten Gott‘, den ihr unwissend schon längst verehrt.“ Darum sagt er auch: „Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.“ Das glaubten die Stoiker, eine weit verbreitete Geisteshaltung damals, ebenfalls.
Natürlich leben, weben und sind wir in ihm, in Gott. Er ist doch der Schöpfer und Erhalter allen Lebens. Ohne sein Schöpfungswort gäbe es uns und diese Welt nicht und nicht mehr.
Menschen, die nicht an Jesus Christus glauben, zeigt sich Gott doch auch immer wieder. Sie erfahren, wie sie plötzlich von etwas innerlich ergriffen und berührt werden, was sie unmittelbar angeht, was tiefer ist als alle anderen Erfahrungen. Vielleicht nicht in Kirchen, aber in der Natur, oder bei einem Konzert oder im Fußballstadion. Da spricht Gott zu ihnen, aber sie wissen nicht, wer er ist. In Römer 1 schreibt Paulus über die „natürliche Gotteserfahrung“. Es stimmt doch: Gott ist jedem Menschen nah. Er will, dass alle Menschen zur Erkenntnis des Glaubens kommen. Das galt nicht nur den Athenern, das gilt auch heute. Ich finde das macht Mut, das Thema „Religion“, das Thema „Gemeinde“, das Thema „Glaube“ anzusprechen und damit nicht hinter dem Berg zu halten.
Nachdem Paulus so eine Brücke zu seinen Zuhörern gebaut hat, geht er noch einen Schritt weiter und redet von Gott als Richter und von Jesus Christus, dem Auferstandenen, von der Notwendigkeit umzukehren und an ihn zu glauben. Er verkündet das Evangelium von Jesus Christus.
Daran haben sich dann die Geister geschieden. Einige kamen zum Glauben und andere protestierten heftig. Das ist heute ja nichts anderes und kann uns nicht davon abhalten, phantasievoll, wertschätzend und klar den eigenen Glauben ins Gespräch zu bringen.
Gott ist nicht fern ein jedem unter uns – sagen wir wie Paulus in Athen den Menschen, wie dieser Gott heißt und was er für sie getan hat: In der Gemeinde und auch im privaten Bereich.
Pastor Andreas Müller